BMG hält an ePA-Rollout im April fest
Das Bundesgesundheitsministerium hält weiter an einem Rollout der elektronischen Patientenakte zum 15. April fest. Die Kassen unterstützen das, der Hausärzteverband spricht von rein politischer Ankündigung. Kontroversen gab es beim Kassenarztrechts-Symposium auch über die Sektorenübergreifende Versorgung.

Digitalisierung und Krankenhaus nannte BMG-Abteilungsleiter Michael Weller in einem Rückblick auf die Legislatur, die nicht einfach gewesen sei, als die Bereiche im Gesundheitssystem, in denen es in den vergangenen dreieinhalb Jahren Strukturänderungen gegeben habe. In Bezug auf die ePA lobte er die Krankenkassen: „Die Krankenkassen haben ihre Hausaufgaben sehr gut gemacht.“ Mehr als 70 Millionen gesetzlich Versicherte seien mit ePAs ausgestattet. Auch vier bis fünf Unternehmen der privaten Krankenversicherung bieten nach Wellers Angaben mittlerweile eine ePA an. „Da ist ein Meilenstein, um Behandlungsverläufe besser, schneller und bedarfsgerechter zu organisieren“, sagte Weller. Erste Verbesserungen seien schon jetzt durch die Medikationsliste zu beobachten.
Mit Blick auf die Sicherheitsprobleme, die der Chaos Computer Club im Dezember aufgezeigt hat, werde derzeit nachgearbeitet, so Weller. „Die Unternehmen sind dabei, das zu machen. Wir sind nach wie vor zuversichtlich, und wir wollen das auch, dass wir am 15.4. den Rollout der ePA schaffen“, sagte er am Donnerstagmorgen in Berlin beim Frühjahrssymposium der Deutschen Gesellschaft für Kassenarztrecht.
Beier: PVS-Hersteller haben Hausaufgaben nicht gemacht
Der Vorsitzende des Hausärzteverbands Dr. Markus Beier schloss sich zwar Wellers Lob für die Krankenkassen an. Diese hätten in der Tat ihre Hausaufgaben gemacht. „Die PVS Hersteller nicht“, sagte er. In den meisten Praxen werde die ePA auch zum 15.4. nicht funktionieren. „Ob man sie dann trotzdem starten will, ist eine politische Entscheidung, aber keine für die Versorgung“, sagte Beier.
Stefanie Stoff-Ahnis, stellvertretende Vorsitzende des GKV-Spitzenverbands, bewertete die ePA als wichtigsten Meilenstein der ablaufenden Legislatur. Die GKV sei ein klarer Befürworter der Akte. „Jedenfalls sind erste wichtige Informationen in dieser elektronischen Patientenakte enthalten“, sagte Stoff-Ahnis. Sie nannte speziell den Arztbrief auf strukturierter Basis und die Medikationsliste und drückte die Erwartung der Kassen aus, dass der Rollout zeitnah erfolge. Das sei auch wichtig für die sektorenübergreifende Versorgung. „Die wird ganz erheblich erleichtert, wenn künftig Behandler eine gemeinsame Basis haben und auch die Effizienz steige.“
Stoff-Ahnis über Entbdugetierung: „Die Büchse der Pandora ist geöffnet“
Stoff-Ahnis‘ Gesamtfazit zur Legislatur fiel zurückhaltend aus. „Die Zahl der erfolgten Reformvorhaben blieb überschaubar“, sagte sie. Als „Versorgungsverbesserungen“ bewertete sie aber die beiden Pauschalen für Hausärzte, die mit dem Schrumpf-Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) überraschend doch noch beschlossen wurden. Die Verhandlungen über die Chronikerpauschale und die Vorhaltepauschale im Bewertungsausschuss laufen bereits. Stoff-Ahnis bezeichnete sie als „eine anspruchsvolle Aufgabe“.
Zu den Schattenseiten der Legislatur zählt die GKV-Vize die Entbudgetierung von Kinder- und Hausärzten. Die Krankenkassen hätten durch die Entbudgetierung „ohne Gegenwert 400 Millionen Euro Mehrausgaben“, sagte sie. Das Narrativ der unvollständigen Vergütung werde der komplexen Struktur der ärztlichen Vergütung nicht gerecht. „Für uns ist das ein Beispiel, wo Politik erneut der Versuchung erlegen ist, sich handlungsfähig zu zeigen nach der schlichten Methode: Viel Geld hilft viel“, sagte sie.

Die Versorgung werde teurer und ineffizienter, sagte Stoff-Ahnis. Sie rechtfertigte Budgets mit der Begründung, sie würden der Steuerung der Leistungen dienen. „Es soll das vermieden werden, was nicht notwendig ist.“ Die von der Politik erhoffte Lösung der Terminprobleme werde nicht stattfinden, so Stoff-Ahnis. Es werde lediglich mehr Leistungen an den bereits behandelten Patienten erbracht werden und die Konzentration von Hausärzten in Ballungsräumen werde weiterhin stattfinden.
„Natürlich ist die Büchse der Pandora nun geöffnet“, sagte Stoff-Ahnis und warnte vor einer Entbudgetierung auch der Fachärzte. „Das wäre der komplett falsche Schritt.“ Schnellschüsse in diese Richtung wären für die Versorgung der Versicherten und die Finanzierbarkeit des Systems eine echte Bedrohung, sagte sie. Ihr Gesamtfazit: Bei den gesundheitspolitischen Entscheidungen der ablaufenden Legislatur sei viel zu wenig auf Versorgungsnutzen fokussiert worden.
Weller: Krankenhausreform ist unumkehrbar
Auch BMG-Abteilungsleiter Weller räumte ein, dass viele Vorhaben gescheitert seien. Sieht aber doch einige strukturelle Fortschritte für die Versorgung. Stolz zeigte er sich auf die Krankenhausreform. „Wir sind ganz sicher, dass die Krankenhausreform unumkehrbar ist“, sagte er mit Blick auf den Regierungswechsel. Er rechnet aber mit Nachjustierungen. „Die wird es auch geben müssen“, sagte er.
Besonderes Augenmerk legte Weller auf die sogenannten Level-1i-Kliniken oder sektorenübergreifenden Versorger: „Das kann der Nukleus für eine neue sektorenübergreifende Versorgung sein. Und ich wünsche mir das“, sagte er. Der BMG-Abteilungsleiter verteidigte die Öffnung für die ambulante Versorgung und wies darauf hin, dass diese weitgehend sei. Level-1i-Kliniken dürfen überall dort hausärztlich tätig werden, wo keine Zulassungsbeschränkungen bestehen. Das gilt übereinstimmenden Angaben zufolge in mehr als 80 Prozent der Zulassungsbezirke. Auch die Öffnung der Sicherstellungshäuser auf Antrag für hausärztliche und fachärztliche Versorgung auf Ermächtigung, wenn ein Sitz nicht in einer bestimmten Zeit vergeben werden kann, führte Weller als Erfolg an. „Es geht hier auch um Versorgungs-Notwendigkeiten.“

Beier: Hausärztliche Versorgung an Krankenhäusern „wird ein riesiges Problem für die Praxen“
HÄV-Chef Beier hält die Öffnung der Krankenhäuser für die hausärztliche Versorgung hingegen für kontraproduktiv. „Dass an der Schnittstelle zwischen ambulant und stationär enger zusammengearbeitet werden muss, ist für uns unstrittig“, räumte er ein. Die Gesetzesregelung schaffe jedoch einen völlig neuen Tatbestand im Zulassungsrecht, „nämlich, dass eine stationäre oder teilstationäre Einrichtung ohne Einschränkungen in über 80 Prozent der Zulassungsbezirke ermächtigt wird“. Für diese Einrichtungen werde es sowohl eine Förderung geben als auch die Möglichkeit zusätzliches Personal anzustellen. „Das wird ein riesiges Problem für die Praxen der hausärztlichen Versorgung.“ Er warnte davor, dass die Regelung „zu einer Kannibalisierung beim Personal und zu einer weiteren Fragmentierung der hausärztlichen Versorgung“ führe.
Bei der Vorhaltepauschale setze der Hausärzteverband große Hoffnungen in den Prozess in der Selbstverwaltung. Sie müsse so ausgestaltet sein, dass sie dem schleichenden Ausverkauf hausärztlicher Versorgung begegnen könne. Die Chronikerpauschale begrüßte Beier als „Abkehr von einer ressourcenverschwendenden Wiedereinbestellungspraktik“. Uneingeschränkt euphorisch sei der Hausärzteverband darüber jedoch nicht. „Denn es muss in der Selbstverwaltung jetzt so umgesetzt werden, dass es funktioniert“, sagte Beier.